--------------------------- aus fiat2300.register ---------------------------------

Das Auto, das es nie geben durfte

1956er FIAT 140 Berlina 4200,

später ab 1958: GAZ 13 Tschaika.

von Dirk Neudenberger

Nun habe ich endlich ein Schnittbild und ein Bild des Wannenbrennraums und
Ventiltriebs des verstoßenen schwarzen Schafes der FIAT Turin gefunden. Und
zwar im GAZ Motoren Werk in Gorki. (Heute heißt der Ort Nishny Novgorod).

Dort konnte ich einige Infos loseisen, aber eher hinter vorgehaltener Hand, denn
offiziell stammt der GAZ 13 V8 5,7 Liter von Ingenieur S. V. Rostkow aus den
Jahr 1958.

In alten Unterlagen finden sich aber auch Hinweise auf die
Abstammung von einem Prototypen der mitsamt Karosseriepressen, Achsen und
einem vollkommen fertig entwickelten drei Stufen Automatikgetriebe
"Idroconvert", von einer außerordentlichen Fiat Entwicklungsabteilung in
Mailand von Fiat eingekauft wurde, sozusagen im Tausch gegen russischen Stahl
und andere nicht bekannte Dinge.

Feder führte damals in Mailand der Fiat Ingenieur Rambaldo Bruschi, der das
Projekt 1956 initialisierte, indem er Gianni Agnelli und Fiat Chefentwickler
Dante Giacosa davon überzeugte nun endlich einmal einen richtig großen Wagen
zu bauen, nach amerikanischem Vorbild von Cadillac und Packard. Dem damals
Besten in dieser Richtung.


Reichlich Hubraum aus einem mindestens 4200 ccm. V8 Alumotor, hohem Drehmoment
bei moderater Tourenzahl und ein vollautomatisches Getriebe mit nicht weniger
als drei Stufen. Über Zweihundertdreißig PS nach Cuna Norm ( Ca. 200 DIN PS)
wurden veranschlagt. Die Verdichtung sollte mit 9.2:1 einem sanften Lauf
entgegenkommen. Die geschmiedete Kurbelwelle sollte fünffach gelagert sein.
Ein Vierkammervergaser wurde bei Weber in Bologna in Auftrag gegeben. All
dieser beachtliche Aufwand sollte zu einer, für damalige Verhältnisse,
wirklich souveränen Leistungsentfaltung und brauchbaren Höchstgeschwindigkeit
von ca. 200 km/h führen. Geplant war auch eine Hydropneumatische Federung nach
Citroen Lizenz oder eine Luftfederung.

Dieses Superauto bekam die Fiat Projektnummer 140.

Die besten Spezialisten wurden zusammengetrommelt:
Neben Rambaldo Bruschi kamen auch noch Ing. Tonegutti und dessen Freund Franco
Bertoldi zum technischen Entwicklungsstab: Motor, Fahrwerk, Kraftübertragung.
Die Karosse gestaltete Ing. Gatti, der für diese Aufgabe eigens von Alfa Romeo
abgeworben wurde. Für dieses Team stand von Anfang fest, der Wagen müsse über
allen jemals gebauten FIAT positioniert werden, vielleicht mit Ausnahme des
Modell 520 Superfiat 6.8 Liter V12 von 1921-22, der damals Horch, Maybach und
Mercedes Konkurrenz machen sollte, ohne jedoch jemals das weitgesteckte Ziel
zu erreichen.


FIAT 140 / GAZ 13 V8 MOTOR FRONTALSCHNITTBILD.


Ein italienischer FIAT Luxuswagen für die wenigen Menschen im Lande, die mehr
verlangten, als ein damaliger FIAT 1900 Granluce bieten konnte. Konkurrenz aus
dem eigenen Land hätte FIAT dabei nicht zu fürchten brauchen, denn selbst
Maserati konnte zu diesem Zeitpunkt von einem Quattroporte V8 nur träumen. Den
Standort für das Entwicklungsbüro 140 in Mailand wählte man bei Fiat nicht
grundlos, denn somit konnte das Team, losgelöst von störenden Turiner Klein
und Kleinstwageneinflüssen, unbehelligt arbeiten.

Doch Dante Giacosa beendete das Projekt noch in den Kinderschuhen, da er keine Chance für eine
kostendeckende Fertigung dieses Prachtfiat sah, woran ja auch letztendlich
Jahre später der 2300 und 130 starb. Um die Kosten für die Entwicklung wieder
einzutreiben ließ Agnelli seine Kontakte zur sozialistischen Regierung
Italiens spielen, die dann den Deal mit der händeringend nach Modernisierung
schreienden Autoindustrie der Sowietunion einfädelte.

Der FIAT 140 wurde vom leicht spießigen Kleinwagenkonstrukteur
Dante Giacosa (Mr.Topolino) verbannt: Nach Russland!

Ich denke, Giacosa fühlte sich von Agnelli übergangen, denn er war von Anfang
an gegen diesen leicht größenwahnsinnigen Plan, deshalb warf er dem Projekt
soviel Knüppel zwischen die Beine wie irgend möglich. Er dürfte am Ende
zufrieden gegrinst haben.

Bertoldi und Tonegutti wurden strafversetzt um aus ihren Träumen
unbeschränkten Blechs und Hubraums in die Enge Beschränktheit
Italienischen Autobaus zurückzufinden . Da dies anscheinend nicht so recht
gelang, gingen die Unruhestifter mehr oder minder freiwillig zur LKW Division
von FIAT, wo sie ab sofort Militärfahrzeuge konstruierten.

Veritables Ergebnis der Entwicklungsarbeit war eben jener URAHN des
sowietischen GAZ 13, der ab 1958 in Gorki für die "Gleicheren unter den
Gleichen", der Moskauer Nomenklatura, in winzigsten Stückzahlen von Hand
gefertigt wurde: Als Limousine, auf Wunsch gepanzert, als Cabrio für die
Parade auf dem roten Platz, oder als Station-Wagon- Jagdkombi für Nikita
Chrustchov.

Die Maschine wurde dem schlechten Ost-Benzin angepaßt und die Verdichtung auf
ein Maximum von 8,5:1 gesenkt. Um die Leistungseinbußen wenigstens einigermaßen wettzumachen,
erhöhte man den Hubraum ins Gewaltige durch größere nasse Laufbüchsen und
längeren Hub von 4,2 Litern auf 5,4, später sogar auf 5,7 Liter, womit je nach
Verdichtung ca. 200-210 DIN PS erreicht wurden. Das Drehmoment lag mit 42 mkg.
ohnehin schon fast auf LKW Niveau.

Ob der schlechten Straßenverhältnisse in der Sowietunion wurde auf die
hydropneumtische Federung dankend verzichtet und
auf eine normale schraubengefederte Querlenker Vorderachse, ähnlich dem
späteren 124 / 125, zurückgegriffen Hinten wirkt eine ganz normale
Starrachse an Blattfedern mit Panhardstab.

KLAR ZU ERKENNEN:
DER VENTILTRIEB ÄHNLICH DEM 2300, DER BRENNRAUM ÄHNLICH DEM
FIAT 130.



Die Brennräume sind, wie beim späteren 130, als kompakte Wanne ausgebildet, da
auch bei ihm die Ventile in Reihe stehen. Das Ventilspiel wird , genau wie
beim 2300, mechanisch mit Hilfe einer kleinen Rändelschraube am Kipphebel
nachjustiert. Beim Fiat 2300 6Zyl. Motor befinden sich die Kipphbel jedoch auf
Doppelwellen, um halbkugelförmige Brennräume zu ermöglichen.

So ist der 140 Motor eher dem früheren Otto Vu (8V) ähnlich, als Aurelio Lamperedis
Reihensechszylinder, denn auch der 8V war ein V8 Leichtmetallmotor mit
Kipphebel-Ventiltrieb. Der 140 vereint durchaus Merkmale des späteren 2300er
mit dem Vorläufer 8V und seinem "Enkel" Fiat 130. Man erkennt eine
Verwandtschaft zu den 1500/2300 z.B. an den Kipphebeln, die, anders als bei
gängigen amerikanischen V8 (Chevrolet Small Block) , auf einer stabilen Welle
in Reihe laufen. An exakt diesem Manko krankten nämlich die alten Chevy
Maschinen, sie sind nicht wirklich drehzahlfest, die Kipphebelbolzen, die
lediglich in den Graugußkopf geschrumpft sind, ziehen sich bei Vollgas hinaus
und schon gibt’s bösen Ventilsalat...

Ein ganz trauriges Kapitel und auch ein Grund weshalb viele
US-motorisierte Italoschlitten (Z.B. DUAL GHIA, GHIA 450
SS Spider etc...) auf den viel besser geeigneten Chrysler Commando V8
zurückgriffen. Diese Lektion mußte auch Seniore Renzo Rivolta mit seinem ISO
Grifo lernen, die Kunden reklamierten gleich in Scharen die von Ihnen auf der
Autobahn in Fetzen gefahrenen Corvette Motoren, sie waren eben für die 90 km/h
der amerikanischen Highways gedacht und nicht für Dauervollgas und Drehzahlen
jenseits von 6000 U/Min.

Wenn auch nicht der Fiat 140 selber , so hätte doch wenigstens der 140er
4,2 ltr V8 Motor ein Verkaufsschlager in diesem Bereich werden können, denn er war
nicht nur vernünftiger konstruiert, sondern auch noch mindestens 50 Kilo
leichter als die Graugußklötze aus Detroit und Dearborn. Sicher hätten die
italienischen Kleinserienhersteller ISO, GHIA, Intermeccanica... , schon
alleine aus patriotischen Gründen, viel lieber auf ein starkes großes FIAT
Großserienaggregat zurückgegriffen, als auf obskure US Konstruktionen; teure
Devisen hätte es allemal gespart.


Wie schön hätte es werden können, ein Fiat 4200S Coupé....

Mit den besten Grüßen
Dirk Neudenberger